Sein Meisterstück hat Nolte 2006 errichtet. In Ahrensburg bei Hamburg baute er ein Haus für eine Familie, die an MCS leidet, an Multipler Chemikalien-Sensitivität. Schadstoffe wie Schwermetalle aber auch lungengängige Schimmelpilzsporen oder Mikrofeinstäube sind für niemanden gesund. Für MCS-Patienten sind sie eine Qual. Kein Wunder also, dass das Projekt mit der in den letzten 50 Jahren gängigen Baupraxis brechen und höchsten Ansprüchen ans Raumklima genügen musste.
Da es manchmal sehr ergiebig sein kann, von denen unter uns mit dem feinsten Radar für schädliche Stoffe zu lernen, wurde das Einfamilienhaus zum Forschungsprojekt mit Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt unter Begleitung des Bundesumweltamts. Und ein voller Erfolg. Die Presse kürte das Haus in Holzständerbauweise zur „Arche im Schadstoffmeer“ oder schlicht zum „Gesündesten Haus Europas“. Fakt ist, dass Nolte ein Gebäude mit den niedrigsten Schadstoffwerten auf Ahrensburger Boden gesetzt hat, die bis dahin in einem Innenraum gemessen wurden. Seither hat sich viel getan. Was früher ein Leuchtturm-Projekt war, könnte zukünftig Mainstream werden.
Strategie der Stadt Hamburg für gesundes Wohnen
Die Weichen dafür wurden in Hamburg bereits gestellt. Der rot-grüne Senat hat der Stadt im Dezember 2019 einen Klimaplan verordnet. Ein wesentliches To-do dieses Papiers: die Entwicklung einer Hamburger Holzbau-Strategie. Der Baustoff Beton ist nämlich nicht mehr tragbar, wenn der CO2-Ausstoß der Stadt bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden soll, wie es der Klimaplan vorsieht. Die Bauwirtschaft gilt noch vor der Transport- und Automobilbranche als größter Verursacher des weltweiten Treibhauseffektes. Schuld daran ist das Festhalten am Beton.
Steigender Rohstoffbedarf an Sand und Kies
Pro Jahr werden für die Produktion von Beton rund 40 Milliarden Tonnen Sand benötigt. Und auch wenn es viel Sand an den Meeren und in den Wüsten der Welt gibt, wächst dieser Baustoff nicht nach. Der Bedarf ist jedoch schier unersättlich. China hat in den vergangenen vier Jahren so viel Sand und Kies für die Betonproduktion verbraucht wie die Vereinigten Staaten in mehr als 100 Jahren. Schätzungen zufolge verbraucht das Land etwa 56 Prozent der weltweiten Sand- und Kiesproduktion, Tendenz steigend. Zu addieren ist, dass das rieselnde Gut nicht nur im Beton steckt. Es füllt die Kabelschächte für das schnelle Internet, ist Basis von Lacken, Klebstoffen, Kosmetika, wird in Solaranlagen und Computerchips verarbeitet.
Holz ist nachhaltiger als Beton
Holz dagegen wächst nach. Und niemand muss fürchten, dass deutsche Wälder schwinden, wenn Holz Beton ersetzt. Die Expertengruppe „Ökobilanzierung“ der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat errechnet, dass ca. 78 Millionen Kubikmeter Rohholz jährlich geschlagen werden. Nur acht Prozent davon würden ausreichen, um das gesamte Volumen im Wohnungsneubau aus Massivholz zu errichten. „Versicherungen machen heute keinen Unterschied mehr zwischen Häusern aus Beton und Holz. Wenn Holzhäuser leichter brennen würden, würden sie es tun“, führt Niels Nolte ein bodenständiges Argument ins Feld, wenn es um Bedenken in Sachen Brandschutz geht. Das in Kooperation mit der TU Darmstadt entwickelte Brandschutzkonzept des „Woodcube“ gewährleistet zum Beispiel, dass das verwendete Holz Feuer drei bis fünf Mal länger widersteht als Beton oder Ziegel. Damit sind die wesentlichen Argumente der Holzbau-Gegner vom Tisch. Die Vorbehalte in der Baubranche halten sich dennoch hartnäckig.
Öffentliche Förderung für gesundes Bauen mit Holz
Um sie aufzuweichen, unterstützt Hamburg seinen Klimaplan durch finanzielle Anreize:
- Mit 30 Cent pro Kilo Holz können Bauherren gefördert werden, die Sozialwohnungen mit Holz bauen, berichtete „DIE ZEIT“ im Juni 2020.
- Die Redaktion hat errechnet, dass sich das bei einem Haus mit 30 Wohnungen auf 90.000 bis 135.000 Euro summiert.
- Bei Gewerbeimmobilien seien sogar 80 Cent pro Kilo möglich.
Nach zweieinhalb Jahren Förderung seien dennoch nur 58 Wohnungen mit der Unterstützung von der Förderbank IFB gebaut worden, etwa doppelt so viele seien im Bau. „Wir sind extrem abhängig von der Entwicklung nachhaltig zertifizierter Baustoffe. Erst kürzlich habe ich nach langer Recherche bei einem belgischen Hersteller ein Produkt auf Maisbasis entdeckt, mit dem ich endlich die aufgeschäumten Produkte zur Isolierung von Heizungen ersetzen konnte. Das Scannen des Marktes ist mühsam und komplex, dazu hat nicht jeder Lust“, begründet Niels Nolte die Zurückhaltung der Branche.