Die Preise für Gas und Strom galoppieren. Wie wirkt sich das auf den Immobilienmarkt aus? Ein Gespräch mit Andreas Gnielka, Geschäftsführer vom Immobiliendienstleister Grossmann & Berger.
Was bedeuten die explodierenden Energiekosten für den Immobilienmarkt?
Andreas Gnielka: Die derzeitige Situation hat vielen die Augen geöffnet und ein Problem offengelegt, das schon lange da war, jedoch zu wenig Beachtung fand: Über die Hälfte der Bestandsimmobilien in Deutschland ist bisher nicht energieoptimiert.
Woran liegt das?
Andreas Gnielka: An fehlenden Anreizen für die Eigentümer, da die Kosten für zum Beispiel Gas lange sehr niedrig waren. Wer bisher in die energetische Sanierung einer Immobilie investierte, tat dies meist aus ökologischer Überzeugung. Die Senkung der Nebenkosten war ein willkommener Nebeneffekt. Bei Neubauten gibt es hingegen feste Vorgaben und Mindeststandards für den Energieverbrauch, die in den letzten Jahren immer mehr verschärft wurden.
Ließen sich unsanierte Bestandsobjekte denn vermarkten?
Andreas Gnielka: Ja. In den letzten Jahren war in den meisten Lagen das Angebot so knapp und die Nachfrage so groß, dass der energetische Zustand der Immobilie nur eine untergeordnete Rolle spielte. Auch die verpflichtende Einführung von Energieausweisen bei Verkauf und Vermietung hat daran wenig geändert. Saniert wurde im Nachgang eher selten. Oder es wurden nur einzelne Maßnahmen im Zuge des Ankaufs realisiert.
Und jetzt?
Andreas Gnielka: Nun rächt sich, dass in der Vergangenheit zu wenig getan wurde. Der energetische Zustand hat sich von einem sekundären zu einem primären Kriterium für Käufer und Mieter entwickelt. Wir haben aber einen enormen Sanierungsrückstau im Gebäudebestand, der nun auf Lieferengpässe, steigende Materialkosten und Handwerkermangel trifft. Keine gute Kombination.
Dann hat sich der Nachfrageschwerpunkt also verschoben?
Andreas Gnielka: Definitiv. Wer nun umzieht, ob privat oder als Unternehmen, sucht nach energieeffizienten Immobilien. Außerdem bewegt sich die Nachfrage, vor allem bei Privatpersonen, wieder mehr in Richtung kleinerer Flächen. Es macht schließlich einen Unterschied, ob ich 150 oder 120 m² beheize. Der Corona-Trend zu mehr Platz hat sich also teilweise umgekehrt, um Nebenkosten einzusparen.
Wie hoch ist denn die Mehrbelastung für Privatpersonen?
Andreas Gnielka: Die Energiekosten haben sich für viele Haushalte bereits verdoppelt. Wir müssen uns darauf einstellen, dass sie auch perspektivisch über dem Niveau der letzten Jahre liegen werden, da insbesondere die Gasimporte aus Russland nicht kurzfristig und kostengünstig zu ersetzen sind.
Und was bedeuten die hohen Nebenkosten für Unternehmen?
Andreas Gnielka: Das ist je nach Branche unterschiedlich. Produzierende Unternehmen sind natürlich besonders von den hohen Energie- und Rohstoffpreisen betroffen. Insbesondere dann, wenn sie sie nicht an die Kunden weitergeben können. Denn wer würde beim Bäcker 9 € für sein Brot bezahlen? Aber auch überall sonst wird geprüft, wo man Energie einsparen kann, etwa durch Zusammenlegung von Büros, Verkleinerung von Einzelhandelsflächen oder verkürzte Öffnungszeiten. Denn leerstehende, beheizte Räume gilt es natürlich unbedingt zu vermeiden.
Was raten Sie Eigentümern von älteren Bestandsimmobilien?
Andreas Gnielka: Ganz klar: energetisch zu sanieren! Dann profitieren sie von niedrigeren Nebenkosten und tun gleichzeitig etwas für den Werterhalt. Denn je autarker eine Immobilie ist, umso mehr steigt auch ihr Wert. Manchmal reichen auch schon einzelne kostengünstige Maßnahmen, wie der hydraulische Abgleich der Heizung, um die Kosten zumindest etwas zu senken. Umfassende Sanierungsmaßnahmen können sich viele nämlich gar nicht leisten. Wir brauchen daher ein politisches Fördersystem, um unseren Bestand effizienter zu machen. Denn nur so lässt sich der Teufelskreis aus hohen Nebenkosten bei gleichzeitigem Wertverlust durchbrechen.
Auch für den Klimaschutz wäre das wichtig.
Andreas Gnielka: Genau. Der Immobilienbranche kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Seriösen Schätzungen zufolge entfallen bis zu 40 % der weltweiten CO2-Emissionen auf den Bau und den Betrieb von Immobilien. Bis 2030 müssen EU-weit alle neuen Gebäude klimaneutral sein, bis 2050 müssen es alle Gebäude sein, auch die, die schon gebaut sind. Ein ambitioniertes Ziel, das unsere ganze Kraftanstrengung verlangt.
Wie unterstützen Sie Immobilienbesitzer aktuell?
Andreas Gnielka: Wir können Eigentümer über mögliche Sanierungsmaßnahmen und staatliche sowie länderspezifische Zuschüsse beraten. Unsere Mitarbeitenden werden in diesem Bereich fortlaufend geschult. Wer den derzeitigen Wert seiner Immobilie erfahren möchte, kann sich an unsere Immobilienshops wenden. Mit unserem Sachverständigenbüro bieten wir außerdem gerichtsfeste Marktwertgutachten für Wohn- und Gewerbeimmobilien an.