Was die Netto-Null-Strategie ist und welche Auswirkungen sie auf die Immobilienbranche hat, erläutert unser Sprecher der Geschäftsführung Andreas Rehberg in Teil eins seines Gesprächs zum Thema Nachhaltigkeit und dem ESG-Umweltkriterium.
Warum ist das ESG-Kriterium ‚Umwelt‘ von den dreien bisher am detailliertesten ausformuliert?
Andreas Rehberg: Aufgrund der Dringlichkeit des Klimawandels. Deswegen forciert die EU den Klimaschutz auch so. Mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 und dem Green Deal 2019 hat sie den groben europäischen Fahrplan vorgegeben. Darüber hinaus hat die EU bei ihren sechs Umweltzielen den Klimaschutz an erste Stelle gesetzt und dieses Ziel als erstes „operationalisiert“.
Meinen Sie damit die Netto-Null-Strategie?
Andreas Rehberg: Genau. Damit hat die EU CO2-Emissionen als Hauptmessgröße für Nachhaltigkeit definiert. Alle Aktivitäten und Sachwerte müssen sich also künftig an ihren CO2-Emissionen messen lassen.
Was bedeutet das?
Andreas Rehberg: Bis 2050 will die EU vollkommen ohne Emissionen auskommen. Entweder durch schrittweise Reduzierung oder CO2-Kompensation. Anschließend soll der Atmosphäre sogar Treibhausgas entzogen werden.
Welche Rolle kommt der Immobilienbranche bei der Netto-Null-Strategie zu?
Andreas Rehberg: Eine wesentliche, wenn man tiefer in das Thema einsteigt. Seriösen Schätzungen zufolge entfallen bis zu 40 % der weltweiten CO2-Emissionen auf den Bau und den Betrieb von Immobilien. Außerdem verbraucht der Immobiliensektor die Hälfte der Energie und Rohstoffe sowie rund ein Drittel des Wassers. Gleichzeitig verursacht er ein Drittel des Abfalls. Drei Viertel aller Gebäude in Europa sind zudem nicht energieeffizient. Bis 2050 stehen davon aber noch mindestens 75 bis 90 %.
Wie hoch ist denn die Lebensdauer einer Immobilie?
Andreas Rehberg: Im Durchschnitt setzt man dafür hundert Jahre an. Der Planungshorizont der EU für die Bau- und Immobilienbranche erscheint auf den ersten Blick sehr lang, ist stattdessen aber ziemlich ambitioniert: Bis 2030 müssen EU-weit alle neuen Gebäude klimaneutral sein, bis 2050 müssen es alle Gebäude sein, auch die, die schon gebaut sind. Es geht also nicht nur um Neubau, sondern auch um den Bestand.
Gelten diese Fristen auch für Deutschland und Hamburg?
Andreas Rehberg: Theoretisch ja. Die Bundesregierung ist aber sogar noch einen Schritt weitergegangen. 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass das 2019 erlassene Klimaschutzgesetz nicht mit den Rechten der jüngeren Generation vereinbar ist. Daher hat die Regierung das Gesetz noch im selben Jahr verschärft und die Klimaneutralität von Deutschland auf 2045 vorgezogen.