Letzte Woche führten unsere Wege uns nach Hannover zur #REA23, der Immobilienmesse ‚Real Estate Arena‘. Unser Stand mit der Nummer A48 bot uns viel Platz für gewinnbringende Gespräche. Viel inhaltlichen Input lieferte das Konferenzprogramm. Dabei ging es hauptsächlich um die neue Marktrealität, Nachhaltigkeit und Digitalisierung – um Themen also, die auch uns betreffen und umtreiben.
Als ‚Immobilien-Vollsortimenter‘ sind wir mit IVD-Präsident Jürgen Michael Schick einer Meinung, der anlässlich des Podiums ‚ESG ist schuld: Wie man einen toten Wohnungsmarkt wiederbelebt‘ sagte:
„Wir brauchen sowohl den Neubau als auch den Bestand, um die Klimaziele zu erreichen.“
Der Immobiliensektor habe bei Nachhaltigkeit im Neubau schon viel erreicht und solle sich daher ab jetzt auf den Bestand konzentrieren. Hier seien künftig die größten Klimaeffekte zu erzielen. Zudem glaubt Schick:
„Wir müssen uns entscheiden: Entweder gehen wir die Gebäudeeffizienz an oder die Dekarbonisierung. Beide Ziele gleichzeitig sind aufgrund der exorbitanten Kosten nicht zu stemmen.“
Angesichts der politisch definierten Meilensteine 2030, 2045 und 2050 bleibt für eine zielführende Entscheidung allerdings kaum Zeit. Wir sind uns mit der Immobilienbranche jedenfalls einig, dass die Konzentration auf ein Ziel Bauträgern, Projektentwicklern und Bauherren zumindest teilweise die dringend benötigte mittelfristige Planungs- und Kostensicherheit geben würde. Und dadurch auch die stagnierenden bis zurückgehenden Neubauaktivitäten wieder angekurbelt würden.
Beim Thema Nachhaltigkeit gingen auch die Überlegungen der BDA-Bundesvorsitzenden Susanne Wartzeck in Richtung Bestand. In ihrem Vortrag ‚Achtung des Bestandes: Strategien für Ressourcenschutz und Wiederverwendung‘ schloss sie sich der Entscheidungskaskade zu nachhaltigem und suffizientem Bauen des Deutschen Städtetages an: Bestand erhalten/erneuern, Bestand erweitern, Neubau als ultima ratio. Sie forderte:
„Wir dürfen Neubaustandards nicht auf den Bestand übertragen.“
GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser beschäftigte sich im Podium ‚Wie geht es weiter mit den Wohnungen im Bestand?‘ mit der (Nicht-)Erreichbarkeit der politischen Meilensteine:
„Unsere Mitglieder bewirtschaften 6 Millionen Wohnungen. Bis 2045 könnten sie die ohne politische Vorgaben problemlos nachhaltig ertüchtigen. Bis 2033 ist das angesichts der drohenden EU-Vorgaben allerdings völlig utopisch.“
Auf eine weitere Hürde in Richtung zu mehr Nachhaltigkeit wies BDA-Landesvorsitzende Dilek Ruf im Podium mit Jürgen Michael Schick hin:
„In meinen Augen liegt hier ein klassischer Zielkonflikt vor: In den Innenstädten gibt es häufig Veränderungsverbote in Form von Erhaltungsverordnungen. Gleichzeitig sollen die Innenstädte aber nachhaltig ertüchtigt werden. Wie passt das zusammen?“
Es gab aber auch Lichtblicke und Lösungsansätze auf der #REA23. Einen solchen stellte das Podium ‚Jetzt wird es amtlich: DIN Spezifikation ESG‘ vor: Im Rahmen der DIN SPEC ESG hat ein Konsortium eine gemeinsame Sprache für digitale Daten zur ökologischen Analyse von Immobilien erarbeitet. Und in jahrelanger Detailarbeit die bisherigen ESG-Kriterien mit der gelebten Baurealität abgeglichen. DIN SPEC ESG-Konsortialleiter und Realcube-Geschäftsführer Dr. Uwe Forgber hofft daher:
„Ich gehe davon aus, dass fünf bis zehn Datenpunkte pro Gebäude für eine EU-Taxonomie-konforme Berichterstattung ausreichen werden. Wir hoffen, dass die DIN SPEC ESG bis Sommer 2023 verabschiedet werden kann.“
Beiden Hoffnungen schließen wir uns an, würden sie den deutschen Immobilienmarkt doch einen großen Schritt voranbringen in Sachen Vergleichbarkeit von ESG- und Nachhaltigkeitsdaten.
Lesen Sie am Freitag über unsere Erkenntnisse zur neuen Marktrealität.
Wissenswert: DIN SPEC ESG 91475
Die neue Norm mit der Bezeichnung DIN SPEC ESG 91475 definiert mit einer gemeinsamen Sprache für digitale Daten einen Standard für die ökologische Analyse von Immobilien. Die Norm benennt, strukturiert und beschreibt sämtliche Angaben, die für die Bewertung von Gebäuden von Bedeutung sind:
• Stammdaten
• Standorteigenschaften
• Gebäudedaten
• Betriebsdaten
Entwickelt worden ist die Norm von einem Konsortium aus zehn Branchenvertretern. Sie soll Anfang 2023 nach dem PAS-Verfahren (Publicly Available Specification) veröffentlicht werden und dann als frei zugänglicher API-Standard zur Verfügung stehen. Ziel ist, dass ein möglichst breiter Nutzerkreis von der gemeinsamen Datensprache profitieren kann.